Maßnahmen der Physiotherapie

Die folgenden Informationen sind Auszüge aus dem Richtlinientext

 

Physiotherapie im Sinne dieser Richtlinie umfasst die physiotherapeutischen Verfahren der Bewegungstherapie sowie die physikalische Therapie. Physiotherapie nutzt sowohl die aktive selbständig ausgeführte, die assistive, therapeutisch unterstützte, als auch die passive, beispielsweise durch die Therapeutin oder den Therapeuten geführte, Bewegung des Menschen, bei Bedarf ergänzt durch den Einsatz physikalischer Therapien wie Massage-, Hydro-, Thermo- oder Elektrotherapie. Therapieziel ist das Erreichen der größtmöglichen Funktionsfähigkeit (im Sinne der ICF).

Für bestimmte Maßnahmen der Physiotherapie bedarf es spezieller Qualifikationen, die über die im Rahmen der Berufsausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten hinausgehen. Solche Maßnahmen, für deren Durchführung eine zusätzliche, abgeschlossene Weiterbildung oder Fortbildung erforderlich ist, sind in den folgenden Paragraphen dieses Abschnitts mit *) gekennzeichnet.

 

Massagetherapie

Die Massagetherapie ist eine in Ruhelage der Patientin oder des Patienten durchgeführte Maßnahme, die aktive körperliche Reaktionen bewirkt. Die
Massagetherapie setzt bestimmte manuelle Grifftechniken ein, die in planvoll kombinierter Abfolge je nach Gewebebefund über mechanische Reizwirkung direkt Haut, Unterhaut, Muskeln, Sehnen und Bindegewebe einschließlich deren Nerven, Lymph- und Blutgefäße beeinflussen. Indirekt wird eine therapeutische Beeinflussung innerer Organe über cutiviscerale Reflexe erreicht.

Die Massagetherapie umfasst die nachstehend beschriebenen Maßnahmen:

1. Klassische Massagetherapie (KMT) als überwiegend muskuläre Massageform einzelner oder mehrerer Körperteile verfolgt das Ziel einer Normalisierung des Muskeltonus, Reduzierung sekundärer Schmerzen (Myalgien, Schmerzfehlhaltungen), Steigerung der Durchblutung und Entstauung,

2. Bindegewebsmassage (BGM),

3. Segmentmassage (SM),

4. Periostmassage (PM) und

5. Colonmassage (CM).

Die unter den Nummern 2 bis 5 aufgeführten Massagetechniken wirken über nervös reflektorische Wege zur Beeinflussung innerer Organe und peripherer Durchblutungsstörungen über segmentale Regulationsmechanismen.

6 . Unterwasserdruckstrahlmassage (UWM) ist ein kombiniertes Verfahren mittels manuell geführten und individuell einstellbaren Wasserdruckstrahls am in einem Wannenbad befindlichen Patienten. Sie dient unterstützt vom entspannenden Effekt der Wassertemperatur und von der Auftriebskraft des Wassers, der Regulierung des Muskeltonus, der Durchblutungsförderung, Schmerzlinderung und Entspannung.

7. Manuelle Lymphdrainage*) (MLD) ist eine spezielle Massagetechnik, die einen Dehnungsreiz auf Kutis und Subkutis ausübt. Sie führt zu einer Erhöhung des Lymphabflusses in den Lymphkollektoren, zu einer konsekutiven Zunahme der Lymphbildung (die Aufnahme der Gewebeflüssigkeit in die initialen Lymphgefäße) und hierdurch zu einer Reduktion des krankhaft erhöhten interstitiellen Flüssigkeitsgehalts. Gewebeinduration (insbesondere ab Stadium II einschließlich der Vermeidung einer irreversiblen Chronifizierung und Entstehung von lymphostatischen Fibrosen). Weitere Wirkungen können die Schmerzlinderung und Tonussenkung sein, sofern sie im Zusammenhang mit der Lymphabflussstörung auftreten. Ist eine Kompressionsbandagierung (Lymphologischer Kompressionsverband) erforderlich, kann diese in Ergänzung der MLD erfolgen. Eine zusätzlich verordnete Kompressionsbandagierung hat im Anschluss an die Therapiezeit der MLD zu erfolgen. Erforderliche Kompressionsbinden sind gesondert als Verbandmittel zu verordnen, sofern keine Hilfsmittel zur Kompressionstherapie vorhanden sind. In Anlehnung an den unterschiedlichen indikationsbezogenen Zeitbedarf sind verordnungsfähig:

a) MLD-30 Minuten Therapiezeit an der Patientin oder dem Patienten(Teilbehandlung) bei leichtgradigen Lymphödemen, Ödemen oder Schwellungen zur Behandlung eines Körperteils wie
- eines Armes oder Beines oder
- des Rückens,
- des Kopfes einschließlich des Halses oder
- des Rumpfes.

b) MLD-45 Minuten Therapiezeit an der Patientin oder dem Patienten (Großbehandlung) bei Lymphödemen sowie Phlebo-Lymphödemen oder Lipödemen zur Behandlung von zwei Körperteilen wie
- eines Armes und eines Beines,
- eines Armes und des Kopfes einschließlich des Halses,
- beider Arme oder
- beider Beine.

c) MLD-60 Minuten Therapiezeit an der Patientin oder dem Patienten (Ganzbehandlung) bei schwergradigen Lymphödemen oder Lipödemen zur Behandlung von zwei Körperteilen wie
- eines Armes und eines Beines,
- eines Armes und des Kopfes einschließlich des Halses,
- beider Arme oder
- beider Beine.
Bei schwergradigen Lymphödemen mit Komplikationen durch Strahlenschädigungen (mit z. B. Schultersteife, Hüftsteife oder Plexusschädigung) zur Behandlung eines Körperteils wie
- des Kopfes einschließlich des Halses,
- eines Armes oder
- eines Beines.

 

Bewegungstherapie

Die einzelnen Maßnahmen der Bewegungstherapie bauen auf der Kenntnis der normalen und krankhaft veränderten Funktionen der Bewegungsorgane, der Bewegungslehre sowie auf Übungs- und Trainingsprinzipien auf. Dabei dient der gezielte, dosierte, methodisch planmäßige Einsatz dieser Maßnahmen der Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung der Funktionen der Stütz- und Bewegungsorgane, des Nervensystems und der dabei beteiligten Funktionen des Herz-Kreislauf-Systems, der Atmung und des Stoffwechsels.

Soweit krankheitsbedingt möglich, soll das Erlernen von Eigenübungsprogrammen im Vordergrund stehen.

Die Bewegungstherapie umfasst die nachstehend beschriebenen Maßnahmen:

1. Übungsbehandlungen

a) Übungsbehandlung
Bei der Übungsbehandlung werden aktive, aktiv-passive und passiv geführte Übungen eingesetzt. Sie verfolgen als gezielte und kontrollierte Maßnahme das Ziel, Schädigungen der Muskelfunktion (Muskelkraft, -ausdauer, -koordination und -tonus) zu beseitigen, Kontrakturen zu vermeiden und Schädigungen der Gelenkfunktionen (z. B. der Gelenkbeweglichkeit und -stabilität) zu mindern. Sie dienen auch der Funktionsverbesserung des Herz-Kreislauf-Systems, der Atmung und des Stoffwechsels. Die Übungsbehandlung kann als Einzel- oder Gruppenbehandlung verordnet werden.

b) Übungsbehandlung im Bewegungsbad
Übungsbehandlung unter Ausnutzung der Wärmewirkung des temperierten Wassers, des Auftriebes und des Reibungswiderstandes des Wassers mit und ohne Auftriebskörper. Die Übungsbehandlung im Bewegungsbad kann als Einzel- oder Gruppenbehandlung verordnet werden.

2. Chirogymnastik*)
Chirogymnastik als spezielle funktionelle Wirbelsäulengymnastik dient der Verbesserung von Muskelkraft, -ausdauer und -koordination und Stabilisierung des muskulären Gleichgewichtes sowie der Dehnung von bindegewebigen Strukturen. Die Chirogymnastik wird ausschließlich als Einzeltherapie verordnet.

3. Krankengymnastik

a) Allgemeine Krankengymnastik (KG bzw. KG Atemtherapie) Krankengymnastische Behandlungsmethoden und -techniken dienen insbesondere der Behandlung von Erkrankungen, Verletzungen, Verletzungsfolgen und Funktionsstörungen der Haltungs- und Bewegungsorgane sowie innerer Organe oder Organsysteme und des Nervensystems mit mobilisierenden und stabilisierenden Übungen und Techniken. Sie dienen der Verbesserung oder Wiederherstellung von Schädigungen der Gelenkfunktionen (Gelenkbeweglichkeit und -stabilität), der Muskelfunktionen (Muskelkraft, -ausdauer, -koordination und -tonus), der Kontrakturvermeidung und -lösung, sowie der Regulierung der Atmungsfunktion. Dabei können auch z. B. Massagetechniken sowie Gymnastikbänder und -bälle, Therapiekreisel und Schlingentische eingesetzt werden. Die allgemeine Krankengymnastik (KG bzw. KG-Atemtherapie) kann als Einzel- oder Gruppenbehandlung verordnet werden.

b) Allgemeine Krankengymnastik (KG) im Bewegungsbad Krankengymnastische Behandlung unter Ausnutzung der Wärmewirkung des temperierten Wassers, des Auftriebes und des Reibungswiderstandes des Wassers mit und ohne Auftriebskörper. Die Krankengymnastik im Bewegungsbad kann als Einzel- oder Gruppenbehandlung mit maximal 5 Patientinnen oder Patienten verordnet werden.

c) Krankengymnastik zur Behandlung von schweren Erkrankungen der Atmungsorgane bei Mukoviszidose oder bei Lungenerkrankungen, die der Mukoviszidose vergleichbare pulmonale Schädigungen aufweisen (KG-Muko). KG-Muko umfasst neben Techniken der Allgemeinen Krankengymnastik (KG bzw. KG-Atemtherapie) auch eine Bewegungs- und Verhaltensschulung, insbesondere zur Besserung der Atemfunktion und zur Sekretlösung. Die KG-Muko wird ausschließlich als Einzeltherapie verordnet.

4. Gerätegestützte Krankengymnastik (KG-Gerät*))
Sie dient der Behandlung krankhafter Schädigungen der Bewegungssegmente der Wirbelsäule, Schädigungen der Muskelfunktion (Muskelkraft, -ausdauer, -koordination und  tonus) einschließlich motorischer Paresen mittels spezieller medizinischer Trainingsgeräte, vor allem bei chronischen Erkrankungen der Wirbelsäule sowie bei posttraumatischen oder postoperativen Eingriffen mit
- Sequenztrainingsgeräten für die oberen und unteren Extremitäten und den Rumpf oder
- Hebel- und Seilzugapparaten (auxotone Trainingsgeräte) für die Rumpf- und Extremitätenmuskulatur.
Sie wird grundsätzlich als parallele Einzelbehandlung mit maximal 3 Patientinnen oder Patienten verordnet. Unabdingbar ist die Anleitung, Aufsicht und Kontrolle unmittelbar durch die behandelnde Therapeutin oder den behandelnden Therapeuten.

5. KG-ZNS-Kinder*)
Zur Behandlung von ZNS-Erkrankungen einschließlich des Rückenmarks und neuromuskulärer Erkrankungen, insbesondere angeborener oder frühkindlich erworbener Schädigungen der Bewegungsfunktionen oder der Muskelfunktionen (Paresen) längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Sie dient zur Erleichterung des Bewegungsablaufs durch Ausnutzung komplexer Bewegungsmuster, Bahnung von Innervation und Bewegungsabläufen und Förderung oder Hemmung von Reflexen unter Einsatz der Techniken nach Bobath oder Vojta. Die Behandlung wird ausschließlich als Einzeltherapie verordnet.

6. KG-ZNS*)
Zur Behandlung von ZNS-Erkrankungen einschließlich des Rückenmarks und neuromuskulärer Erkrankungen nach Vollendung des 18. Lebensjahres, zur Förderung und Erleichterung des Bewegungsablaufs durch Einsatz komplexer Bewegungsmuster, Bahnung von Innervation und Bewegungsabläufen und Förderung oder Hemmung von Reflexen unter Einsatz der Techniken nach Bobath, Vojta oder PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation). Die Behandlung wird ausschließlich als Einzeltherapie verordnet.

7. Manuelle Therapie*)
Als Einzeltherapie dient der Wiederherstellung oder Minderung reversibler Schädigungen der Gelenkfunktion, der Bewegungssegmente der Wirbelsäule, Schädigung der Muskelfunktion und Schmerzlinderung durch Anwendung einer gezielten impulslosen Mobilisation oder durch Anwendung von Weichteiltechniken.

 

Traktionsbehandlung

Die Traktionsbehandlung besteht in der Anwendung eines gezielten mechanischen apparativen Zuges zur Entlastung komprimierter Nervenwurzeln und Gelenkstrukturen. Die Traktionsbehandlung wird ausschließlich als Einzeltherapie verordnet.

 

Maßnahmen der Elektrotherapie

Die Maßnahmen der Elektrotherapie wenden galvanische, nieder- und mittelfrequente Stromformen an zur Schmerzlinderung, Durchblutungsförderung, Tonisierung und Detonisierung der Muskulatur. Besondere Stromformen haben entzündungshemmende und resorptionsfördernde Wirkung und vermögen darüber hinaus Muskeln zu kräftigen und gezielt zur Kontraktion zu bringen.

Die Maßnahmen der Elektrotherapie umfassen die nachstehend beschriebenen Maßnahmen:

1. Elektrotherapie unter Verwendung konstanter galvanischer Ströme oder unter Verwendung von Stromimpulsen (z. B. diadynamische Ströme, mittelfrequente Wechselströme, Interferenzströme),

2. Elektrostimulation unter Verwendung von Reizströmen mit definierten Einzel-Impulsen nach Bestimmung von Reizparametern (nur zur Behandlung von Lähmungen bei prognostisch reversibler Nervenschädigung),

3. Hydroelektrisches Teilbad oder Vollbad (Stangerbad).

 

Kohlensäurebäder und Kohlensäuregasbäder
(Voll- oder Teilbäder)

Kohlensäurebäder und Kohlensäuregasbäder wirken durchblutungsfördernd und stoffwechselstimulierend, wenn eine standardisierte Konzentration von Kohlendioxid (CO2) auf die Haut einwirkt.

 

Inhalationstherapie

Die Inhalationstherapie wird ausschließlich als Einzeltherapie mittels Gerät, mit dem eine alveolengängige Teilchengröße erreicht wird, angewendet. Sie dient insbesondere der Sekretlockerung, Sekretverflüssigung sowie der Entzündungshemmung.

Zur längerfristigen Behandlung sind Inhalationen als Heilmittel nur verordnungsfähig, sofern eine Eigenbehandlung mit verordnungsfähigen, als Arzneimittel zugelassenen Inhalaten, gegebenenfalls in Verbindung mit zusätzlich notwendigen Geräten, nicht möglich ist.

 

Thermotherapie (Wärme- oder Kältetherapie)

Sowohl Wärme- als auch Kälteanwendungen wirken je nach Indikation schmerzlindernd, beeinflussen den Muskeltonus und wirken reflektorisch auch auf innere Organe. Kälteanwendung wirkt zusätzlich entzündungshemmend.

Die Thermotherapie umfasst die nachstehend beschriebenen Maßnahmen:

1. Kältetherapie mittels Kaltpackungen, Kaltgas, Kaltluft,

2. Wärmetherapie mittels Heißluft als strahlende und geleitete Wärme zur Muskeldetonisierung und Schmerzlinderung,

3. Wärmetherapie mittels heißer Rolle, zur lokalen Hyperämisierung mit spasmolytischer, sedierender, schmerzlindernder und reflektorischer Wirkung auf innere Organe,

4. Wärmetherapie mittels Ultraschall, zur Besserung der Durchblutung und des Stoffwechsels und zur Erwärmung tiefergelegener Gewebsschichten,

5. Wärmetherapie mittels Warmpackungen mit Peloiden (z. B. Fango), Paraffin oder Paraffin-Peloidgemischen zur Applikation intensiver Wärme,

6. Wärmetherapie mittels Voll- und Teilbädern mit Peloiden oder Paraffin.

Die Wärme- oder Kälteapplikation kann mit Ausnahme der Ultraschallwärmetherapie nur als therapeutisch erforderliche Ergänzung in Kombination mit Krankengymnastik, Manueller Therapie, Übungsbehandlung, Chirogymnastik oder Massagetherapie verordnet werden, es sei denn, im Heilmittelkatalog ist indikationsbezogen etwas anderes bestimmt.

 

Standardisierte Kombinationen von Maßnahmen der Physiotherapie („Standardisierte Heilmittelkombinationen“)

Die „standardisierten Heilmittelkombinationen“ aus den in §§ 18 bis 24 genannten einzelnen Maßnahmen können nach Maßgabe des Heilmittelkatalogs nur dann verordnet werden, wenn komplexe Schädigungsbilder vorliegen und die therapeutisch erforderliche Kombination von drei oder mehr Maßnahmen synergistisch sinnvoll ist, wenn die Erbringung dieser Maßnahmen in einem direkten zeitlichen und örtlichen Zusammenhang erfolgt und die Patientin oder der Patient aus medizinischer Sicht geeignet ist.

Soweit von der Ärztin oder dem Arzt die Verordnung nicht näher spezifiziert wird, kann die Therapeutin oder der Therapeut über die bei der jeweiligen Behandlung einzusetzenden Maßnahmen entscheiden. Dabei muss die Therapeutin oder der Therapeut alle in der „standardisierten Heilmittelkombination“ genannten Maßnahmen zur Verfügung stellen können.